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Ausland Erneuerbare Energien

Wie sich Afrika zum neuen grünen Powerhouse entwickelt

Korrespondent für Kriegs- und Krisengebiete
Solarkomplex Noor in Marokko: Der Strom wird gebraucht, um grünen Wasserstoff zu produzieren Solarkomplex Noor in Marokko: Der Strom wird gebraucht, um grünen Wasserstoff zu produzieren
Solarkomplex Noor in Marokko: Der Strom wird gebraucht, um grünen Wasserstoff zu produzieren
Quelle: picture alliance / Photoshot
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Die weltgrößte Solaranlage mitten in der Sahara steht für die neue Energiepolitik Marokkos und des gesamten afrikanischen Kontinents. Mithilfe von Sonnenstrom soll grüner Wasserstoff hergestellt werden – der auch Deutschland unabhängig von fossilem Gas machen soll.

Die Spiegel glänzen in der rötlichen Erde der Wüste. Hier, in Ouarzazate im Süden Marokkos, steht der größte Solarkomplex der Welt. Die 500.000 parabolischen Reflektoren haben eine Gesamtfläche von 1,4 Millionen Quadratmetern, das entspricht 200 Fußballfeldern. Noor (Arabisch: Licht) heißt die Anlage, sie liefert mit drei Kraftwerken Energie für insgesamt 1,3 Millionen Menschen.

Bald schon soll ein viertes Kraftwerk ans Netz gehen, um die Kapazität weiter zu steigern. Noor ist das Herzstück der ambitionierten Energiepolitik des nordafrikanischen Landes. Im Jahr 2050 sollen 80 Prozent des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien stammen. Heute sind es bereits rund 35 Prozent, in acht Jahren sollen es 52 Prozent sein.

Die gigantische Solaranlage Noor mitten in der Sahara ist nicht nur ein Symbol für Marokkos ambitionierte Energiewende. Sie ist auch ein Zeichen für die neue Energiepolitik auf dem afrikanischen Kontinent. Mit nachhaltigem Strom aus Sonnenenergie soll nämlich grüner Wasserstoff hergestellt werden.

Im Mai vergangenen Jahres haben sich sechs Länder – Marokko, Ägypten, Kenia, Mauretanien, Namibia und Südafrika – zur Afrikanischen Grünen Wasserstoff Allianz zusammengeschlossen. Gemeinsam will man schon in naher Zukunft jährlich mindestens 500.000 Tonnen grünen Wasserstoff produzieren.

Aber das ist nur der Anfang. So hat Südafrika schon anvisiert, 2030 diese Menge allein zu produzieren. Ansonsten sind auch Angola und Ghana in die Herstellung von grünem Wasserstoff eingestiegen und noch mehr afrikanische Länder werden folgen. Es ist ausgerechnet der Globale Süden, bis heute sooft als arm und rückständig belächelt, der auf dem Weg buchstäblich zum neuen Powerhouse ist – und dies mit moderner, innovativer Technologie.

Die Nachfrage für erneuerbare Energien ist in Europa und insbesondere auch in Deutschland enorm. Die Bundesregierung will die Energiewende schaffen und der mit Ökostrom erzeugte Wasserstoff gilt als zentraler Baustein. Er ist eine umweltfreundliche Lösung, den stetig wachsenden Energiebedarf der Welt zu decken und dennoch den Klimawandel zu mildern. „Er lässt sich relativ einfach transportieren, kann überschüssigen Strom speichern und wieder in andere Energieformen wie Wärme und Strom umgewandelt werden“, schreibt das Forschungsinstitut Helmholtz über die Energieform der Zukunft.

Habeck will mit Namibia Zusammenarbeit bei Wasserstoff vertiefen

Grüner Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien wie Wind- oder Sonnenkraft hergestellt wird, soll eine Schlüsselrolle bei der Energiewende und beim klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft sein. Namibia soll wichtiger Lieferant werden.

Quelle: WELT

Entsprechend intensiv und flächendeckend ist das deutsche Engagement in Afrika. Mit zahlreichen Staaten bestehen bereits seit einigen Jahren Energiekooperationen mit Fördermaßnahmen. So erhielt etwa Marokko 38 Millionen Euro für den Aufbau einer Pilotanlage, die ab 2025 rund 10.000 Tonnen Wasserstoff produzieren soll. Namibia bekam 30 Millionen Euro für insgesamt vier Wasserstoffprojekte.

Angaben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) zufolge belief sich die Unterstützung allein im vergangenen Jahr auf insgesamt 400 Millionen Euro. Im November wurden zusätzlich 550 Millionen Euro bereitgestellt, „um den Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft gemeinsam mit Schwellen- und Entwicklungsländern voranzutreiben“.

Neben der staatlichen Förderung sind es deutsche Firmen, die in Afrika aktiv sind. Ein Beispiel ist Conjuncta, die in Angola in Wasserstoffindustrie investierte und nun auch in Mauretanien. Erst im März unterzeichnete die Hamburger Firma zusammen mit dem ägyptischen Energieversorger Infinity und der Firma Masdar aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (UAE) eine Absichtserklärung mit Mauretanien über ein 34 Milliarden Dollar schweres Projekt. „Es wird eine starke Verbindung zu Deutschland haben, sowohl als Technologieanbieter als auch als potenzieller Abnehmer von grüner Energie“, sagte Conjuncta-Geschäftsführer Stefan Liebing nach seiner Unterschrift.

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Es sind Investitionen für die Zukunft und durch den Krieg in der Ukraine haben sie zusätzlich an Bedeutung gewonnen. „Früher wollte man nur weg von fossilen Brennstoffen hin zu erneuerbaren Energien“, sagte Sebastian Vagt, Leiter der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung in Rabat. „Letztes Jahr hieß es dann: weg von Wladimir Putin.“ Europa musste unabhängig von Russland werden und daher seine Energiequellen diversifizieren.

Die Europäische Kommission präsentierte deshalb nur drei Monate nach Kriegsbeginn in der Ukraine den REPowerEU Plan für „saubere Energie und Diversifizierung“. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) reisten quer durch die Welt, um sich händeringend Ersatz für russisches Gas und Öl zu sichern.

Bis 2040 soll es 30.000 neue Arbeitsplätze pro Jahr geben

Für Afrika ist die gesteigerte Nachfrage von erneuerbarer Energie ein großes Plus. Die neue Industrie bringt Arbeitsplätze, Einnahmen und wirtschaftlichen Aufschwung. In Namibia soll ein knapp zehn Milliarden teures Hybridkraftwerk aus Wind- und Sonnenenergie insgesamt 15.000 Arbeitsplätze während der Bauphase und 3000 Dauerstellen schaffen.

Auf einer Fläche von 4000 Quadratkilometer des Tsau//Khaeb Nationalparks sollen jährlich 300.000 Tonnen Wasserstoff und andere grüne Treibstoffe wie grüner Ammoniak und grünes Methan produziert sowie für den Export verschifft werden. In Südafrika soll ein Projekt in Nordkap ab 2030 20.000 und bis 2040 30.000 Arbeitsplätze pro Jahr schaffen.

Der Verkauf des neuen Energieträgers ist für die afrikanischen Staaten auf lange Zeit gesichert. Die EU erwartet bis 2050, dass fast ein Viertel des weltweiten Energiebedarfs durch grünen Wasserstoff gedeckt wird. RePowerEU zielt darauf ab, die Hälfte des europäischen Bedarfs – schätzungsweise 20 Millionen Tonnen jährlich bis 2030 – lokal zu produzieren und die andere Hälfte über Partnerschaften für grünen Wasserstoff zu importieren.

Afrika hat dafür alles, was grundlegend notwendig ist, um diese Mengen zu produzieren: große unbebaute Landflächen, reichlich Sonne, Wind, Wasserkraft und Meer. Aus Entsalzungsanlagen soll das Wasser kommen, das die Elektrolyse unter Einsatz von grünem Strom in Wasserstoff und Sauerstoff spaltet.

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Der Internationalen Energy Agency (IEA) zufolge könnte Afrika die gesamte Welt mit Energie in Form von Wasserstoff versorgen. In einer IEA-Analyse mit dem Titel Outlook 2022 heißt es: „Afrika hat das Potenzial, 5000 Megatonnen (eine Megatonne entspricht einer Million Tonnen) Wasserstoff pro Jahr zu einem Preis von weniger als zwei Dollar pro Kilogramm zu produzieren. Das entspricht der heutigen Gesamtenergieversorgung der Welt.“

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Nicht allein die gigantische Produktionsmenge, auch der niedrige Preis klingt heute noch wie von einem anderen Stern. Denn die Herstellungskosten in Deutschland betragen mehr als das Dreifache. An den rund 100 bereits bestehenden Wasserstofftankstellen kostet ein Kilogramm derzeit rund 13 Euro. In den kommenden Jahren sollen laut dem britischen Analysezentrum Aurora Energy Research die Produktionskosten in der Bundesrepublik fallen.

Für 2030 errechnet man einen Preis zwischen 3,90 und fünf Euro. Jedoch können sie mit den Importen nur schlecht konkurrieren. So käme verflüssigter Wasserstoff aus Marokko auf 4,58 Euro pro Kilogramm. Bei Transport mittels flüssiger organischer Wasserstoffträger (LOHC) oder in Form von Ammoniak wären es rund 4,70 Euro, einschließlich der Kosten für die Rückumwandlung in gasförmigen Wasserstoff in Deutschland.

Noch immer sind 600 Millionen Afrikaner ohne Strom

Den Boom von grünem Wasserstoff in Afrika sehen nicht alle positiv. Es gibt Stimmen, die befürchten, der grüne Strom könnte hauptsächlich in den für den Export bestimmten Wasserstoff fließen – und nicht der lokalen Bevölkerung zugutekommen. Die Vereinten Nationen haben in den letzten Jahren einen Anstieg der Verfügbarkeit von Elektrizität auf dem Kontinent festgestellt. Trotzdem leben 43 Prozent, also 600 Millionen Menschen, weiter ohne Strom. In Namibia, einem wichtigen Wasserstoffpartner der EU, hat nur etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung Zugang zu Elektrizität.

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